(Kommentar) Mit der Entsolidarisierung fing es im Bereich der Renten bei den Betriebsrenten im Zuständigkeitsbereich des mittelbaren und unmittelbaren Dienstes an. Folge einer nicht rechtzeitigen Regelung im gesetzlichem Rahmen, waren Austritte aus der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Viele Institutionen, die es in ihrer Zuständigkeit mit einem günstigen Mitarbeiterbestand zu tun hatten, verließen die VBL, weil andere Unternehmen oder Pensionskassen für ihren Mitarbeiterbestand günstigere Beiträge verlangten. So wurde für die verbleibenen Mitglieer das Risiko schlechter und die Beiträge höher. Damit der Anreiz für andere Institutionen wieder größer, die VBL zu verlassen. Es hat lange gedauert bis hier einige Pflöcke eingeschlagen wurden, die diejenigen stärker belasteten, die zu dieser Situation beigetragen hatten (Bundeswehr, Bahn, Post = alles ehemalige Bundesunternehmen). Der Bund ist heute entsprechend der von im zusätzlich verursachten Risikos stärker mit Beiträgen belastet. Es wäre für die Unternehmungen, die sich einen Ausstieg nicht leisten konnten, fast zu spät gewesen.
Jetzt deutet sich ein ähnlich unsolidarisches Verhalten bei den Betrieben an, die sich beim “Pensionssicherungverein in Köln” (PSV) beteiligen müssen um ihre Zusagen auf Betriebsrenten gegen Insolvenz abzusichern. Wenn man den Stuttgarter Nahrichten glauben darf (siehe untenstehender Artikel)c dann wollen sich wiederum potente Firmen mit für sie günstigere Regelungen aus dieser gesetzlich vorgesehenen Solidargemeinschaft verabschieden. Aus den Vorgängen der VBL sollte man gelernt haben. Wo bleibt die gesetzliche Regelung, die solcher Flucht aus der Verantwortung für das gemeinsame Ganze einen Riegel vorschiebt?
Zitat:
Stuttgarter Nachrichten, 16.06.2009
Es knirscht im System der Betriebsrenten
Pensionssicherungsverein muss Beiträge kräftig erhöhen – Vor allem große Unternehmen denken über Alternativen nach. Der Pensionssicherungsverein (PSV), der im Insolvenzfall des Arbeitgebers die Betriebsrenten weiterzahlt, muss die Beiträge drastisch anheben. Die ersten Großunternehmen denken über eigene Absicherung nach.
Von Markus Grabitz, Berliner Redaktion
BERLIN. Rosenthal, Märklin und Arcandor sind schon insolvent, Opel und Schaeffler droht ein ähnliches Schicksal. Der rasante Anstieg von Unternehmenspleiten macht dem PSV schwer zu schaffen: Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres musste der Versicherungsverein, der nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit arbeitet, etwa die gleiche Schadenssumme verkraften wie im gesamten Vorjahr.
2008 lag das Schadensvolumen bei 591,8 Millionen Euro. Schätzungen gehen davon aus, dass allein die Arcandor-lnsolvenz beim PSV einen Schaden in doppelter Höhe anrichtet. Damit ist klar, dass die 73 093 Unternehmen, die Mitglied im PSV sind und für den Schaden aufkommen müssen, mit massiv steigenden Beiträgen rechnen müssen. Selbst wenn bis zum Jahresende keine größeren Fälle mehr dazukommen, steht schon jetzt fest, dass 2009 das bisher schlimmste Schadensjahr in der 35-jährigen PSV-Geschichte wird. Der Beitrag der Unternehmen von derzeit 1,8 Promille der Beitragsbemessungsgrenze von 277 Milliarden Euro wird sich mindestens auf acht Promille vervierfachen. Anders ausgedrückt: Damit würde ein PSV-Mitgliedsunternehmen an den PSV allein 2009 einen Betrag überweisen müssen, der etwa sechs Prozent der eigenen Aufwendungen für die betriebliche Altersvorsorge entspricht. Im Schnitt lag der Beitragssatz seil PSV-Gründung bei 2,6 Promille.
Den Unternehmen, die ohnehin unter den Folgen der weltweiten Krise ächzen, drohen also massive Zusatzbelastungen. Die Leistungsfähigkeit des PSV stehe aber nicht in Zweifel, beteuern Kenner der Materie. Sie verweisen darauf, dass der PSV für den Ernstfall gut gerüstet sei: Es gibt zwei Dämpfer für den Beitragsanstieg. Zum einen gebe es die Möglichkeit, die Beitragsbelastung zu strecken, die fälligen Lasten könnten auf die nächsten vier Jahre verteilt werden. Zum anderen kann der PSV einen Ausgleichsfonds für Notfälle anzapfen. Ende 2008 standen hier knapp 700 Millionen Euro zur Verfügung. Der PSV, der seinen Sitz in Köln hat, gewährt derzeit etwa zehn Millionen Menschen mit Ansprüchen auf Betriebsrenten Insolvenzschutz, darunter sind 3,9 Millionen Betriebsrentner und 6,1 Millionen Personen mit unverfallbaren Anwartschaften. Im Regelfall funktioniert das deutsche Betriebsrentensystem so: Das Unternehmen muss dafür sorgen, dass die Ansprüche seiner Mitarbeiter auf Dauer gewahrt werden. Dafür muss es Geld zurücklegen oder in eine Kasse einzahlen. Erst wenn das Unternehmen zahlungsunfähig wird, kommt der PSV ins Spiel. Der Verein sorgt dann dafür, dass die Betroffenen nicht in die Röhre schauen.
Vor allem bei Insolvenzen von Großunternehmen gerät der PSV, an dessen Spitze Martin Hoppenrath steht, ins Licht der Öffentlichkeit: So gilt der PSV auch jetzt als einer der größten Gläubiger von Arcandor. Dem Vernehmen nach sollen die Verhandlungen in Sachen Arcandor auch deswegen so kompliziert sein, weil Arcandor in erheblichem Umfang in Form von eigenen Aktien Rücklagen für die Betriebsrenten der Beschäftigten gebildet hat und diese Wertpapiere nach der Insolvenz nicht mehr so viel wert sind. Im Fall Opel argumentierten immer wieder Politiker, dass der Autobauer schon alleine wegen der Schadenssumme von rund vier Milliarden Euro beim PSV nicht fallengelassen werden dürfe.
Der PSV deckt drei von fünf Wegen ab, auf denen Betriebsrenten zugesagt werden können – die Direktzusage, die Unterstützungskasse und den Pensionsfonds. Aber auch wer über eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung eine Betriebsrente zugesagt bekommen hat, steht im Pleitefall nicht mit leeren Händen da. Dafür sorgt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin).
Einige Großunternehmen haben nun einen anderen Weg für die betriebliche Altersvorsorge gewählt: MAN, Siemens, Telekom, RWE und Bosch haben einen eigenen Unternehmens-Pensionsfonds aufgelegt. Und Unternehmen, die die betriebliche Altersversorgung über einen Pensionsfonds abwickeln, zahlen einen wesentlich geringeren Beitrag beim PSV. Im Umfeld des PSV besteht nun die Sorge, dass Mitglieder auf die steigenden Beiträge reagieren und dem Beispiel von MAN und Co. folgen könnten. Ein Kenner der Szene: „Für viele Unternehmen ist der PSV schon länger ein rotes Tuch.”
Zitat Ende:
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